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CHRISTIAN BERGER
- im Porträt

Wir haben Christian Bergers diesjährigen 80. Geburtstag zum Anlass genommen, einen Blick auf sein vielseitiges und umfangreiches Schaffen zu werfen. Berger ist primär für seine mehrfach ausgezeichneten Kameraarbeiten für Michael Haneke – mit dem ihn seit BENNY'S VIDEO 1991 eine sehr enge Zusammenarbeit verbindet –, Karin Brandauer, Wolfram Paulus, Marie Noëlle & Peter Sehr, Luc Bondy, Amos Gitai, János Szász, Virgil Widrich oder Angelina Jolie bekannt. Der Filmemacher blickt aber zudem neben vielen dokumentarischen Arbeiten auf eigene Regiearbeiten zurück. Diese können wir euch nun online – in zum Teil frisch restaurierten und neu digitalisierten Fassungen – präsentieren.

 

Nach einer Lehre als Lichttechniker bei Christian Bartenbach begann Christian Berger 1968 als freier Bildberichterstatter beim Tiroler ORF, für den er unzählige Reportagen umsetzte. Auch DER UNTERGANG DES ALPENLANDES entstand für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Zum Erscheinen von Werner Pirchners kongenialem Debütalbum Ein halbes Doppelalbum 1973 erhielt Christian Berger den Auftrag aus Wien, ein Porträt über den Musiker für die Sendung Impulse zu gestalten. Resultat ist der inzwischen über fünfzig Jahre alte Kultfilm, „wo auch einige lieder aus dem ‚halben doppelalbum‘ dem geschätzten betrachter zu gehör gebracht“ werden, so die Ankündigung am Flugblatt.

Ein Tiroler Heimatfilm der etwas anderen Art, der beim politischen Land Tirol nicht gut ankam, dessen geplante Premierenprojektion von der Stadt Innsbruck behindert und von den Veranstaltern kurzerhand unter großem Publikumserfolg in einen Rohbau verlegt wurde. „Es ist gelinde gesagt eine Schande, was hier von offensichtlich modern sein wollenden Jungfilmern und Dokumentatoren publiziert wurde… Eine schamlose und verletzende Karikatur von allem, was bisher Bestand hatte,“ so der damalige Vizebürgermeister von Innsbruck 1974. Fünfzig Jahre später hat der Film zum Glück nichts an dieser Modernität, noch an Relevanz und Witz eingebüßt.

„mit brennender Sorge gibt Zeugnis der Nachwelt
Christian Berger
von einsamem Kampfe des Warners
Pirchner
auf daß durchdringe das Objektiv
was offenen Auges die Menschheit verschlief“

In der Dokumentation D.U.D.A! des Berliner Filmemachers Malte Ludin über den Ausnahmekünstler Werner Pirchner kommt Christian Berger ebenfalls zu Wort. Im Jahr 1997 erhält Berger den Tiroler Landespreis für Kunst.

Für sein Langfilmdebüt RAFFL erhielt Berger eine Förderung beim gerade ins Leben gerufenen Filminstitut ÖFI. Gemeinsam mit Markus Heltschl schreibt Berger das Drehbuch und wendet sich der viel interessanteren Figur des Verräters Raffl und nicht dem Helden Andreas Hofer zu. Wolfram Schütte hob anlässlich der Filmpremiere in Cannes hervor: „Christian Berger ist der Name seines Regisseurs, und RAFFL heißt der Film, der seit Herbert Rudels ,Heimatfilmen‘ diesem von uns Städtern schief beäugten Genre ein Werk abgerungen hat, das ein Versprechen ist auf ein großes Können, das sich entfalten will.“ (Frankfurter Rundschau). Der damals bereits als Bildhauer bekannte Alois Weinberger hat neben der Hauptrolle auch die Ausstattung bis ins kleinste Detail übernommen. Wir können den Film nun in einer neu restaurierten Fassung zeigen.

1985 erscheint DIE WILDEN KINDER, für den Berger gemeinsam mit Monika Helfer das Drehbuch zu ihrem gleichnamigen Roman schrieb. In HANNA MONSTER, LIEBLING 1988 übernimmt Bergers Frau Marika Green die Hauptrolle neben Hagnot Elischka und Peter Turrini. Wir freuen uns besonders, als Bonusmaterial zum Film eine vorbereitende Tanzstudie zur Figur Hanna am Strand in der Normandie zeigen zu dürfen. Wie RAFFL lief Bergers zweiter Regielangfilm international auf Festivals.

MAUTPLATZ 1993 bleibt Bergers vorerst letzter Spielfilm. Anfang der 1990er-Jahre übernimmt er eine Kameraklasse an der Filmakademie Wien. Am 19.3.1995 notiert er in seinen Notizen, die er selbst liebevoll Filmsplitter nennt, Hanekes Feedback zum Film: „gut findet er die Liebesgeschichte, gut findet er die Bilder, die Auflösungen und die Hauptdarsteller außer Jesserer, findet die Liebesszene in einem Pfeiler der Europabrücke ganz gut. Schlecht findet er, dass er nie in die Geschichte mit Kleist reinkam, obwohl er ihn schauspielerisch sehr schätzt [Yoshi Oida]; – man weiß 1. nie, warum er auf Georg scharf ist, 2., was er wirklich tut auf der Autobahn – und das neue Mautsystem. Da hat Michael Recht, man kann Vagheit nicht mit vagen Mitteln zeigen.“

Eva Testor, ehemalige Studentin von Berger an der Filmakademie, drehte den Dokumentarfilm LICHTTAGE LICHTNÄCHTE – CHRISTIAN BERGER IM FILM über ihren Lehrer, der 2015 bei der Diagonale Premiere feierte.

In den 1990er-Jahren veröffentlicht Berger die konzeptuelle Arbeit LANDLEBEN, bei der er auf Filmmaterial von sich als Mitte Zwanzigähriger zurückgreift. Wiederum 25 Jahre später montiert Berger den Film aus den bildlichen und tonalen Dokumenten seines Heimatorts in einem einzigartigen Blick.

ETHNISCHE IDYLLEN montierte Berger als installative Doppelprojektion. Im Gespräch mit Christa Blümlinger erläutert er, dass er durch einen konventionellen, linearen Schnitt den Gesprächspartnern nicht gerecht würde und die Montage es erlaube, die Personen aussprechen zu lassen, was er für die Arbeit für entscheidend hielt.

Während den Schnittarbeiten notiert Berger: „Das Herzeigen und das Verbergen – von der Idee, dass man mit Bildern und Tönen eigene Erfahrungen ersetzen kann, müssen wir uns radikal verabschieden – es gibt keine Abkürzung, kein Austricksen – die eigene Wahrnehmung ist nicht delegierbar. […] Hier muss sich der Zuschauer beinahe genauso im Geschehen orientieren, wie ich das als Kameramann tun musste, und Dinge selber aufschnappen.”

2010 war Christian Berger für DAS WEISSE BAND Oscar-nominiert, seit BENNY’S VIDEO hat Berger bei fast allen von Hanekes Filmen Kamera gemacht, bei uns im Programm könnt ihr ebendiesen, CACHÉ und 71 FRAGMENTE EINER CHRONOLOGIE DES ZUFALLS streamen.

Außerdem gibt es bei uns die Gelegenheit, DAS GROSSE HEFT von János Szász zu schauen, bei dem unter anderem auch das von Christian Berger entwickelte Lichtsystem CRLS (Cine Reflect Lighting System), das minimalistisch durch Reflektoren mit Parellelstrahlern  und damit wenig Raum und Energie auskommt, Anwendung fand.

Alle Regiearbeiten von Christian Berger bei uns im Programm:

Der Untergang des Alpenlandes (1974)

Kurzfilm / 1974 / 31min / AT

Regie: Werner Pirchner, Christian Berger; Drehbuch: Werner Pirchner

 

Mit: Werner Pirchner, Dietmar Busarello, Helga Bücherl, Isolde Ferlesch, Werner Fürst, Henner Kröper, Lautrac, Carl Nemec, Rudolf Margreiter, Wolfhart Ottenhausen, Francoise Pasqualini

Raffl (1984)

Drama / 1984 / 98min / AT

Regie: Christian Berger; Drehbuch: Christian Berger, Markus Heltschl

 

Mit: Lois Weinberger, Dietmar Schönherr, Barbara Weber, Barbara Viertl, Art Brauss, Rupert Covi, Dietmar Mössmer, Bert Breit, Leticia Berger u. a.

Die wilden Kinder (1985)

Drama / 1988 / 60min / AT

Regie: Christian Berger; Drehbuch: Christian Berger, Monika Helfer (nach ihrem gleichnamigen Roman)

 

Mit: Wolfgang Böck, Gila von Weitershausen, Julia Plitzner, Krista Posch, Eduard Erne, Michael Köhlmeier, Marika Green, Reinhold Bilgeri u. a.

Hanna Monster, Liebling (1989)

Drama / 1989 / 96min / AT/BRD

Regie: Christian Berger; Drehbuch: Christian Berger

 

Mit: Marika Green, Hagnot Elischka, Peter Turrini, Ignaz Kirchner, Rosemarie Wohlbauer, Dietmar Mössmer u. a.

Mautplatz (1994)

Drama / 1994 / 91min / AT

Regie: Christian Berger; Drehbuch: Christian Berger, Werner Sallmaier

 

Mit: Markus Hering, Magdalena Artelt, Yoshi Oida, Gertraud Jesserer, Michael Altmann, Marika Green, Klaus Händl

Landleben (1995)

Ethnische Idyllen (1998)

Experimenteller Dokumentarfilm / 1995 / 18min / AT

Regie: Christian Berger

Experimenteller Dokumentarfilm / 1998 / 85min / AT

Regie: Christian Berger

Wir möchten uns bei Christian Berger und Marika Green für die geduldigen Stunden, interessanten Gespräche und die Möglichkeit, die Filme bei uns im Programm zeigen zu können, herzlich bedanken!

(c) Bernhard Pötscher