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Interviews

Machtstrukturen aufbrechen - Regisseurin Katharina Mückstein im Interview

Wir haben Katharina Mückstein nach ihren Lieblingsfilmen aus dem KINO VOD CLUB gefragt und dabei auch über ihren Film FEMINISM WTF (2022) gesprochen.

Inwiefern hat die Arbeit an FEMINISM WTF deinen Blick auf Feminismus verändert?

Die Arbeit an Feminism WTF hat mir sehr große Freude bereitet, weil ich die Gelegenheit hatte, mit so vielen smarten Personen zu sprechen, die sich im weitesten Sinne mit Fragen von sozialer Gerechtigkeit beschäftigen. Mich persönlich hat dieser Austausch vor allem bestärkt in der Überzeugung, dass wir all das, womit sich der intersektionale Feminismus beschäftigt, unbedingt brauchen, damit die Menschheit eine bessere Zukunft auf dem Planeten gestalten kann.

Was war dir bei FEMINISM WTF besonders wichtig?

Am wichtigsten war mir, dass die Themenvielfalt sichtbar wird, die unter dem Begriff „Feminismus“ verhandelt wird. Und, dass wir einen Film machen, der gut zugänglich ist, lustvoll und anregend.

Was ist die Kernbotschaft, den die Doku vermitteln soll?

Feminism WTF ist ein Film für alle, die sich für Themen rund um soziale Gerechtigkeit und Feminismus interessieren und sich einen Ein- und Überblick verschaffen wollen. Der Film zeigt, dass wir Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Ausschluss nicht als vereinzelte Probleme, sondern in ihrer Gesamtheit betrachten müssen, um zu Lösungen zu kommen. Feminism WTF ist ein Aufruf, sich zu öffnen für die Lebensrealitäten anderer und gemeinsam für eine gerechtere Zukunft zu kämpfen.

Was hat dir beim Dreh besonders Spaß gemacht?

Es war beim Dreh besonders schön, mit Tanz und Performance zu arbeiten. Und dann die Zusammenarbeit mit Tony Renaissance und den Sounddesigner*innen Flora Rajakowitsch und Karim Weth.

Was war – im gesamten Prozess der Doku – eine der größten Herausforderungen?

Aufgrund der Pandemie mussten wir den Dreh verschieben, neue Protagonist*innen finden und unter schwierigen Umständen drehen. Auch der Schnitt war eine große Herausforderung für die Editorin Natalie Schwager und mich. Schließlich hatten wir viele Stunden Material, die es galt, in einen Erzählbogen zu formen.

Was wünschst du dir von all jenen, die sich FEMINISM WTF im Kino ansehen?

Ich wünsche mir, dass Menschen sich durch den Film inspirieren lassen, Feminismus als das zu sehen, was er für mich bedeutet: eine Idee von Zusammenhalt, echter Solidarität, ein Gegenentwurf zur Kultur von Ausbeutung, Profit und Exklusion.

La Banda Film
„Feminism WTF“ kommt ab 31.3.2023 ins Kino. © La Banda Film

Feminismus in der Kunst- und Kulturbranche – Was fehlt noch?

Wie im Rest der Gesellschaft fehlt ein von vielen getragenes Commitment dahingehend, dass diejenigen, die am verletzlichsten sind, geschützt werden müssen. Außerdem werden Fragen von Gerechtigkeit – darunter feministische Themen oder auch Klimaaktivismus – medial in eine Empörungsspirale gedrängt und das schadet uns allen. Es wird immer lieber über Konflikt berichtet, als über Konsens oder gelungene Konzepte, wo Menschen zusammenhalten und gemeinsam etwas bewirkt haben. Es fehlt also an optimistischer Auseinandersetzung mit der Frage, wer wir werden wollen und was unsere Handlungsspielräume sind.

Inwiefern hat die Debatte bzw. der „Aufschrei“, den du vor nicht ganz einem Jahr entfacht hast, deinen Blick auf Feminismus bzw. die Kulturbranche verändert?

Ich habe im letzten Jahr viel dazugelernt aus dem Kontakt mit sehr vielen Personen, die wie ich selbst Übergriffe und Machtmissbrauch erlebt haben und unter den Konsequenzen leiden. Das hat mir gezeigt, wie wichtig und auch stärkend es ist, sich auszutauschen und einander zu unterstützen. Meine Solidarität gehört zu hundert Prozent den Betroffenen und für einen Augenblick ist es mir, glaube ich, gelungen, den Fokus auf ihre bzw. unsere Perspektive zu lenken. Das hat natürlich viel Unruhe verursacht, weil unsere Arbeitswelt beim Film sehr hierarchisch ist und in der Regel nur auf diejenigen schaut, die gerade erfolgreich und stark sind. Ich habe mich gefreut über die vielen Menschen, die mir geschrieben haben, dass mein Sprechen für sie etwas verändert hat.

Machtmissbrauch aufzubrechen, ist immer schwierig. Es scheint allerdings, dass es im Kunst- und Kulturbereich, konkret im Film besonders schwer ist. Warum?

Ich glaube, dass die Kunst- und Kulturbranche noch mehr als andere Bereiche der Gesellschaft einem veralteten Ideal anhängt vom – traditionell männlichen – Genie, dessen Begabung sich alle anderen unterordnen müssen. Aus dieser Idee entsteht eine ganze Struktur, die auf Hierarchien und Ungleichstellung baut, die oft bei genauerem Hinsehen durch nichts zu rechtfertigen sind. Diese Struktur ist der ideale Nährboden für Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt. Ich bin aber überzeugt, dass wir zur selben Zeit auch schon ganz andere Arbeitspraxen und -realitäten erfunden haben und leben. Sehr viele wollen diese alte Schule hinter sich lassen und bemühen sich um einen besseren und fairen Umgang, das sehe ich in meinen Teams jeden Tag.

Katharina Mücksteins Film-Empfehlungen aus dem KINO VOD CLUB findet ihr hier.

Credits: Elsa Okazaki