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Interviews

Wir erzählen viel zu wenig Geschichten von Frauen über 50 und wenn, dann meist auch nur recht oberflächlich. - Kat Rohrer im Interview

Die gebürte Wienerin Kat Rohrer, die auch New York als Zuhause bezeichnen kann, feiert mit WHAT A FEELING Streamingpremiere im KINO VOD CLUB. Mit ihren Werken hat sie bereits einige Auszeichungen erhalten, ihr Spielfilm WHAT A FEELING gewann zahlreiche Audience Awards (Seattle, Dayton, Karlsruhe) und Best Feature in London. Wir haben sie nach ihrer Inspiration zum Film, Tipps für Neustarts und der Zusammenarbeit mit einer Intimitätskoordinatorin befragt. 

 

WHAT A FEELING setzt sich mit heteronormativen Konventionen und dem Hinterfragen der eigenen sexuellen Orientierung auseinander. Du hast das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Was genau hat dich zu diesem Film inspiriert?

Ich hab mich in der Pandemie alleine isoliert, weil kurz davor meine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen ist. Wie wir alle habe ich damals viel ferngesehen und musste feststellen, dass es sowohl im österreichischen Fernsehen, als auch bei den Steamern keine Filme gab, die sich mit dem Thema auseinandersetzten, was passiert, wenn man sich später in seinem Leben trennt und dies vor allem auch aus einer queeren Perspektive. Und da hab ich dann selbst gemerkt, wie wichtig Repräsentation ist.

Die Hauptprotagonistin Marie Theres erfährt recht plötzlich vom Wunsch der Scheidung ihres Ehemannes. Sie steht nach 20 Jahren Ehe vor dem Nichts und muss neu anfangen. Gibt es deiner Meinung nach ein Rezept für einen guten Neustart?

Ich glaube da gibt es kein Rezept. Ein Neustart ist meist schmerzhaft und nicht leicht. Man muss sich ja von der Idee seines alten Lebens verabschieden. Er kann aber eine Chance sein. Eine Chance, sich von alten Mustern zu lösen, sich neu zu definieren und etwas Neues zu wagen, Neues zu probieren, was unter den vorhergegangenen Parametern vielleicht nicht möglich gewesen wäre.

Was hat beim Dreh besonders Spaß gemacht? Und was war eine Herausforderung?

Am meisten macht mir die Arbeit mit den Schauspieler:innen und meinem Team Spaß. Wenn, so wie bei uns, alle an einem Strang ziehen, alle an das Projekt glauben und es durch jede:n Einzelne:n besser wird, dann ist jeder Tag am Set eine Freude. Geld und Zeit sind immer die größten Herausforderungen.

WHAT A FEELING erzählt davon, dass sich Marie Theres nach dem Ende ihrer heterosexuellen Ehe sich in eine Frau verliebt. Sie ist zu dem Zeitpunkt 50 Jahre alt. Wolltest du durch das recht späte Coming-Out einen bestimmten Fokus setzen?

Ich weiß nicht, ob ich Marie Theres‘ Weg wirklich als Coming Out beschreiben würde. Sie verliebt sich mit 50 neu und die Person ist halt eine Frau. Mir war wichtig, eine Geschichte von Frauen über 50 zu erzählen, die ein Leben haben, einem Job nachgehen und Bedürfnisse und Gefühle haben. Wir sehen das viel zu wenig in Filmen. Wir erzählen viel zu wenig Geschichten von Frauen über 50 und wenn, dann meist auch nur recht oberflächlich.

Für den Film hattet ihr eine Intimitätskoordinatorin am Set. Wie war die Arbeit mit ihr? Und inwiefern unterscheidet sich deiner Meinung nach die Darstellung heterosexueller Intimität von homosexueller im Film?

Die Arbeit mit unserer Intimitätskoordinatorin Katharina Haudum war großartig. Ich finde es essenziell, jemanden wie Katharina am Set zu haben. Es vereinfacht die Kommunikation zwischen den Schauspieler:innen und mir und dann auch jene mit dem Kamera-Departement. Es nimmt viel Druck von mir, weil ich sicher sein kann, dass die Schauspieler:innen jemanden haben, mit dem sie offen reden können. Natürlich versuche ich ein Environment zu kreieren, wo sie das bei mir auch können. Das ist nicht so selbstverständlich. Deswegen ist es wichtig, dass es hier noch jemanden Dritten gibt. Und es ist wichtig, dass es eine Person am Set gibt, die sicherstellt, dass alle Regeln am Set eingehalten werden: alle unwichtigen Monitore am Set abgedreht werden, nur die essenziellen Menschen am Set sind und jeder sich wohlfühlt. Ich denke Intimität sollte immer mit einer Intention dargestellt werden und nicht nur „just because you can“. Sehr oft gibt es Sexszenen, welche die Geschichte nicht wirklich vorwärts treiben, sondern einfach nur so und das ist langweilig und überflüssig. Intimität muss was erzählen und dann ist es egal, ob das heterosexueller oder homosexueller Sex ist.

Du bist in Wien aufgewachsen und hast dann 20 Jahre in New York gelebt. Inwieweit hat dich das in Puncto Beziehungsformen sensibilisiert?

New York ist wesentlich diverser und da sind verschiedene Beziehungsformen bzw. sexuelle Orientierung oder Genderidentity kein Thema. Das interessanteste für andere Menschen in New York an mir war, dass ich aus Österreich komme und nicht, mit wem ich in einer Beziehung bin.

Gibt es bestimmte Filmschaffende oder Werke, die einen besonderen Einfluss auf dich und deine Arbeit haben?

Da gibt es viele. Ich liebe Emma Thompson als Drehbuchautorin und Schauspielerin. Ich liebe es, wie sie Drama und Komödie verbindet. Ich liebe Aaron Sorkins Dialog. Ich mag Kathryn Bigalows Action-Filme, Robert Altmans Episoden-Filme und Kenneth Branaghs Shakespeare-Verfilmungen.

WHAT A FEELING ist dein erster Spielfilm nach einer Reihe von sehr erfolgreichen Dokumentarfilmen und Kurzfilmen. Geht es mit Spielfilmen weiter bzw. worauf dürfen wir uns in Zukunft von dir freuen?

Ich denke, dass ich jetzt beim Narrativen bleibe. Ich liebe Dokumentarfilme und mache sie auch sehr gerne, aber man braucht viel Durchhaltevermögen und sie dauern meist länger in der Umsetzung, also muss es ein Thema sein, für das ich brenne. Bis ich das wieder finde, bleib ich beim Narrativen. Ich arbeite gerade an ein paar Film- und Serien-Projekten.

Kat Rohrer hat uns auch Filmempfehlungen aus dem KINO VOD CLUB dagelassen.

Credits: Yifu Chien