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Mein Zugang zum Erzählen ist ein sehr intuitiver. - Filmemacherin Elena Wolff im Interview
Elena Wolff, geboren 1993 in Berlin, aufgewachsen in Kitzbühel und mit 14 Jahren nach Wien gezogen, um die Modeschule zu besuchen, studierte Schauspiel in Linz und ist seit 2022 Regiestudentin an der Filmakademie Wien. Elenas erster unabhängig finanzierter Langspielfilm PARA:DIES feierte 2022 internationale Premiere auf dem Filmfestival Max Ophüls Preis und Österreichpremiere auf der Diagonale in Graz. ASCHE, Elenas zweiter, ebenso unabhängig finanzierter Spielfilm, feierte bei der Diagonale’24 Premiere und parallel dazu bei uns im KINO VOD CLUB.
Was hat dich bewegt, nach deiner Schauspielerfahrung als Regisseurin Filme zu machen und noch ein Regiestudium an der Filmakademie zu beginnen?
Wenn ich ganz ehrlich bin gab es zwei Gründe.
Zum einen hat es mich müde und traurig gemacht, ständig auf die Möglichkeit warten zu müssen, spielen zu dürfen. Ich bin von meinem Naturell her kein besonders passiv veranlagter Mensch. Mir fällt es schwer, so wenig Einfluss darauf zu haben, ob ich als Schauspieler:in arbeiten darf oder nicht. Das hängt so oft von Faktoren ab, die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Und ich liebe diesen Beruf so sehr, dass ich ihn auch aus der beobachtenden und leitenden Position aus erfahren möchte. Im Grunde trenne ich auch nicht so stark zwischen den Disziplinen. In der Kunst greift immer alles in einander.
Zum anderen hatte ich einen großen Hunger zu lernen. Ich komme vom Theater, von der Schauspielführung und dem geschriebenen Wort. Mir hat es vor zwei Jahren noch an Handwerk und Grundwissen über das Filmemachen gefehlt. Es gibt mir Selbstbewusstsein, jetzt mehr filmisches Vokabular zu besitzen, wenn man Film und seine Mittel als Sprache begreifen will.
Du bist sehr umtriebig in unterschiedlichen Bereichen. Man hat das Gefühl, du möchtest Geschichten erzählen und auf Dinge aufmerksam machen, und bedienst dich dafür unterschiedlicher Medien. Welche Themen oder Geschichten interessieren dich als Stoff besonders?
Mein Zugang zum Erzählen ist ein sehr intuitiver. Mich treibt nichts Politisches, wenn ich schreibe. Ich habe früh gelernt, dass es sich lohnt einfach in das zu investieren, was einen interessiert und die eigene Vision nicht zu sehr zu hinterfragen. Im Nachhinein stelle ich aber natürlich fest, dass es einige zentrale Themen gibt, die auf unterschiedliche Art in meinen Arbeiten an die Oberfläche treten.
Ich bin meist fasziniert von Frauen und ihren Geschichten. Von queeren Menschen und von denen, die irgendwie „larger than life“ sind. Sich schwer tun, sich in die Gesellschaft und deren Erwartungen einzugliedern. Die negativ auffallen. Und mich reizen Tabus. Das, wo sich niemand traut hinzuschauen. Das an uns, was zutiefst menschlich ist, aber dessen Existenz wir leugnen. Ich halte es für absolut elementar, dass man über alles sprechen darf und habe eine große Aversion gegen Heuchelei.
Du scheinst einen guten Weg gefunden zu haben, bei dem du die künstlerische Kontrolle über deine Werke hast – indem du gleichzeitig produzierst, schreibst, schauspielst und Regie führst. War für dich von Anfang an klar: Die Geschichten, die ich erzählen möchte, möchte ich genau so erzählen und keine Kompromisse eingehen müssen?
Prinzipiell habe ich nichts gegen künstlerische Kompromisse, manchmal sind diese sogar bereichernd, weil aus Einschränkungen raffinierte Ideen wachsen können. Grade als Darsteller:in genieße ich sehr, nur für meine Figur verantwortlich zu sein und über den Rest keine Kontrolle zu haben. Ich füge mich auch sehr gerne in fremde Visionen ein, an die ich glaube. Das erfüllt die eine Hälfte meines Herzens. Die andere erfüllt es, selbst Welten zu schaffen und andere sichtbar zu machen. Ich fühle mich oft missverstanden und komisch, irgendwie dysfunktional. Im Film finde ich eine alternative Sprache, mit der ich mich begreifbar machen kann. Und es macht auch einfach Sauspaß.
Ist es in der österreichischen Filmlandschaft schwieriger, vom Mainstream abzukommen und gleichermaßen gefördert und akzeptiert zu werden?
Ich glaube im Vergleich zu Menschen, die versuchen in Ungarn oder Russland Filme zu machen, sind wir in Österreich ziemlich verwöhnt. Ich werde für das, was ich glaube, ja weder politisch verfolgt noch offensichtlich sanktioniert. Aber natürlich ist es ab und an der kompliziertere Weg zu sagen: Ich mache trashy Low-Budget-Filme über kontroverse und abgründige Charaktere, anstatt über sympathische Menschen, die jodelnd durch die Alpen hopsen. Wobei ich darauf auch mal Lust hätte.
Mit dem, was ich aktuell mache, ist es sehr schwer, Geld zu verdienen und ich kann diese Filme auch nur drehen, weil ich in vielerlei Hinsicht privilegiert bin. In Zukunft wünsche ich mir ehrlicherweise vor allem mehr, als Schauspieler:in arbeiten zu können und wenn ich selbst Regie führe, die Mittel habe, die es braucht, ein professionelles Set zu führen auf dem alle für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Das ist beim Independent-Film in Österreich ein Ding der Unmöglichkeit.
Welchen Rat würdest du jungen aufstrebenden Filmemacher:innen geben, die gerade erst anfangen?
Macht so viele Filme wie möglich. Mit Handy, mit Digitalkamera, mit Camcorder, mit einer Blackmagic Pocket, ganz egal. Nehmt es nicht zu ernst. Verliert nicht aus den Augen, warum ihr damit angefangen habt. Wenn ihr Film studieren wollt, probiert es und überdenkt eure Bewerbungen nicht. Wenn ihr eine Idee cool findet, dreht sie, egal, ob sie euch extrem „wichtig“, „innovativ“ und „relevant“ vorkommt oder nicht. Wenn ihr nicht angenommen werdet, scheißt drauf. Es gibt in diesen Fällen keine Objektivität und wenn ihr unbedingt Filme machen wollt, schafft ihr es auch ohne Studium. Es gibt sehr viele tolle Filmschaffende, die nie studiert haben. Reicht eure Filme bei Festivals ein und dann vergesst drauf. Schützt eure Ressourcen und die von Cast und Crew. Lasst euch nicht ausbeuten, aber sucht möglichst viele Erfahrungen an Sets. Findet Menschen, mit denen ihr Filme machen wollt und die eure Philosophie und Ästhetik teilen. Man braucht Verbündete in diesem Job. In der Welt allgemein.
Gibt es bestimmte Filmemacher:innen oder Filme, die einen starken Einfluss auf deine Arbeit haben/hatten?
Opening Night von John Cassavetes/Gena Rowlands, Carol von Todd Haynes, alles von Maren Ade, Portrait of a lady on Fire von Céline Sciamma, Oh Boy von Jan-Ole Gerster, Das Casting von Nicolas Wackerbarth, Moonlight von Barry Jenkins, Paradies: Liebe von Ulrich Seidl, The Zone of Interest von Jonathan Glazer, Shortbus von John Cameron Mitchell, The Trouble with Being Born von Sandra Wollner und Aftersun von Charlotte Wells waren Filme, die mich in der Vergangenheit oder aktuell beeindruckt bzw. beschäftigt haben.
Am meisten Einfluss auf mein Schreiben hatte wahrscheinlich die Mumblecore-Szene aus New York gepaart mit Muttertag von Helmut Sicheritz und die Theaterstücke von Kleist.
Elenas Debütfilm PARA:DIES ist bei uns im KINO VOD CLUB verfügbar. Hier geht’s zu Elenas Filmempfehlungen aus dem KINO VOD CLUB.